Singen und Sprache – Die Flügel des Menschen

5. 11. 2018

Die folgenden Worte mögen den tieferen Sinn der Arbeit von Il canto del mondo – Internationales Netzwerk zur Förderung der Alltagskulturen des Singens e.V. www.il-canto-del-mondo.de sowie der Arbeit mit dem Heilsamen Singen www.karladamek.de www.heilsames-singen.de verständlicher machen. Er darf auf beliebige Weise unkommerziell geteilt werden. Das Copyright liegt beim Canto Verlag Hattingen.
Klingende Grüße Karl Adamek

Karl Adamek rezitiert. diesen Text auf einem Mitsingkonzert 2019 in Köln  

 

Karl Adamek

Singen und Sprache – Die Flügel des Menschen

Möge dieser Text als Kompass dienen

 

Wenn wir wieder selber singen jenseits von richtig oder falsch
einfach so, wie es gerade kommt
– ganz klingender Atem –

 

Wenn wir so wie wir gerade sind
unser Singen ungeschminkt entfalten
die unmittelbare
Sprache des Fühlens und der Seele
in diesem Augenblick und
von Augenblick zu Augenblick

 

Wenn wir dabei lauschen
hinein in verschlüsselte Botschaften
die im atmenden Klang
unserer Stimme spürbar schwingen
wenn wir uns tief in den Resonanzen
aus unserem Inneren immer wieder
neu erspüren

 

Uns ohne Urteil liebevoll und spielerisch
gewähren lassen als Klang
immer wieder staunend
in die Tiefe des Klangraumes fühlen der wir sind
als immer sprudelnde Quelle
der Erkenntnis

 

Ob wir dabei nun alleine
oder gemeinsam mit anderen
singen oder ganz grundlegend einfach
im puren Klang tönen

 

Uns dabei mit allem, was gerade ist
zu Klang werden lassen
uns selbst und den Anderen
dabei erhören
im Einklang der Verbundenheit

 

Aus uns hinaus in die Welt
uns verbinden als Eigenklang

 

Wenn wir wieder selber singen
jenseits von richtig oder falsch
einfach so, wie es gerade kommt
– ganz klingender Atem –

 

Dann kann dieser Weg
der Achtsamkeit
auf den schwingenden Klang
unsere Seelenwünsche
Atemzug um Atemzug
heilsam vertiefen ins Wesentliche
uns so durch die Sinne
zum Sinn führen

 

Kann unsere Lebensenergien wecken
uns immer wieder aus den Unterwelten
lebensfeindlicher Gefühlswallungen
wie Gier, Neid und Hass
in ein liebevolles Leben befreien

 

Kann alle sehnenden Kräfte
in uns wachrufen
um Mitgefühl zum Maßstab
unserer einen Welt zu erheben
das Vergeben zu verankern
um der gemeinsamen Zukunft willen
als eine der obersten Lebenshaltungen

 

Wenn wir wieder selber singen
jenseits von richtig oder falsch
einfach so, wie es gerade kommt
– ganz klingender Atem –

 

Dann kann uns dieser Weg des Singens
und der tragenden inneren Melodien
mit der Endlichkeit
unseres Lebens versöhnen
an die Schönheit des Lebens
trotz alledem rückbinden

 

Singen gehört
zur Natur des Menschen
wie der Wind zu Wolken und Meer

 

Mit der Natur in uns
und um uns herum
in Frieden leben zu lernen
ist das Gebot unserer Zeit

 

In allen Zeiten und überall
wo Angst uns lähmt oder gar geschürt wird
damit sie uns zur Fessel werde
den Hals zuschnürt
damit wir nicht die Stimme erheben
in all diesen Zeiten und überall‘
mögen wir immer wieder neu entdecken:

 

Sobald wir beginnen so frei zu singen
wandeln wir Angst in Vertrauen
Trennung in Verbundenheit
Verwirrung in Klarheit und Entschiedenheit
Wut in Mut und Gestaltungswillen
Verzweiflung in Hoffnung und Zuversicht
Schuld in Verzeihen und Verantwortung
Trauer in Freude, Weitsicht und Tiefe
Lähmung in Tatkraft und Ausdauer

 

Und wir wandeln bei all dem zugleich
unsere Unvollkommenheit zur Schönheit
des Vergänglichen im Verklingenden

 

Körperliche Schmerzen werden gelindert
seelische Schmerzen finden Trost
die Selbstheilungskräfte erstarken
wir singen uns in Balance
lernen die Bedeutung der Weisheit die da sagt
Ich bin nicht dankbar weil ich glücklich bin
sondern ich bin glücklich weil ich dankbar bin

 

In Wahrheit singen
wirkt als Gesundheitserreger
als ansteckende Begeisterung

 

Die Botenstoffe des Gehirns werden
auf Hochtouren gebracht
die Heilmittel unserer inneren Hausapotheke
stehen uns singend jederzeit zur Verfügung
und so manche Pille wird dadurch überflüssig

 

Welch´ ungehobene Schätze
liegen im Singen noch verborgen
wie auch in der Sprache
ohne die wir nicht Denken könnten

 

Singen ist unsere Sprache des Fühlens
Unsere Klang-Sprache

 

Zum Denken brauchen wir
eine Wort-Sprache

 

Wenn wir so frei singen
ist unser Fühlen nicht mehr sprachlos
den möglichen Abgründen des Denkens
ausgeliefert

 

Wir singen was wir nicht sagen können

 

Wenn wir so frei singen
können wir unser Denken
an das fühlende Herz rückbinden
Fühlen und Denken
werden zu Flügeln des Geistes

 

Auf dass wir nicht der Kälte ausgeliefert sind
wenn das Denken herzlos in die Irre rennt
ohne Beziehung zum Leben

 

Wie unendlich viel können wir noch lernen

Wie weit können wir noch unser Leben entfalten

Wie sicher sind wir vor der Gefahr
diese wunderbaren Potenziale
wie schon so oft in der Menschheitsgeschichte
zu missbrauchen

 

Maskiert wird das Singen zum Gröhlen
oder zum Kampf um Leistung und Vorrang
wie schnell dann auch zur verführerischen Lüge
und das Denken wird zunehmend zur Überlistung
der Schwächeren dienstbar gemacht

 

Berauben wir uns so nicht selbst
unserer eigenen Würde

 

Wir können entscheiden und
unsere Entscheidung ist entscheidend

 

Singen ist die eigentliche
Muttersprache des Menschen
gab uns der große Musiker
Yehudi Menuhin mit auf den Weg

 

Mögen wir diese Sprache
neu entfalten und so sprechen lernen
dass wir mit unserem Singen
unsere Unterwelt der negativen Gefühle
die im Tiefsten immer
aus Angst geboren werden
oft aufgrund erlittener Schmerzen
immer wieder aufs Neue
wandeln lernen
im goldenen Dreischritt
Erkennen – Anerkennen – Wandeln

 

Wandeln lernen
in Vertrauen als Haltung
wo alle Angst schmilzt

 

Mögen wir diese Sprache
neu entfalten und so sprechen lernen
auf dass unsere Unterwelt nicht unsere Taten vergifte

 

So wie dem sagenhaften Orpheus
– dem alten griechischen Mythos –
die Unterwelt nichts anhaben konnte

Solange er sang war er geschützt

 

Beflügelt durch sein Singen
kann der Mensch seinen Geist befreien
vom giftigen Einfluss negativer Gefühle
kann so Herz und Hirn vereinen

Dem empathischen Herzen dient das Hirn

 

So singend in begeisterter Vernunft
wird der Mensch doppelt beflügelt
dreht sich nicht nur im Kreis
flatternd mit einem Flügel
auf dem abgründigen Boden
wo er blind nur fühlt oder
herzlos nur denkt

 

Ja, er kann nun beide Flügel
erheben und hinweg fliegen
über diese anders sehr viel schwerer
zu überwindenden Abgründe

 

Und an welchem Platz er auch immer steht
nur doppelt beflügelt kann er fliegen
nur aus der Höhe des fliegenden Geistes
kann er zum beherzten Weitblick gelangen
der alles und alle einbezieht
kann er wirkliche Lösungen finden

 

Warum sollte er andere Flügel suchen
oder weiß jemand bessere Flügel
für diesen heute überlebensnotwendigen Flug

 

Wahrscheinlich hat der Mensch
gerade deshalb nicht nur den Verstand
sondern zugleich auch das Singen
als existenzielle Möglichkeit vom Leben bekommen
um so seinen Geist
auf diese spielerische Weise
immer wieder neu vom immer möglichen
Regiment seiner Unterwelt
befreien zu können

 

So erst wird er wirklich fähig
sein Leben verantwortlich
enkeltauglich zu gestalten
ganz Mensch zu werden
Liebe zu leben zu sich selbst
und allen Mitgeschöpfen

 

Mögen wir so frei diese Sprache
neu entfalten und sprechen lernen
weil uns Singen als Menschen
von Herz zu Herz verbinden kann
über alle kulturellen Grenzen hinweg
und wir dabei im Tiefsten weiter heilen

 

Auf dass in uns und um uns herum
aus unserem mitfühlenden Handeln
von negativen Gefühlen bereinigt
die mögliche Neue Welt im Einklang
mit allen Mitgeschöpfen doch noch werde

 

Widmung

Diesen Text habe ich meiner Freundin Edith Großpietsch
zum 70. Geburtstag gewidmet. Sie hat mich über fast den ganzen erwachsenen Lebensbogen liebevoll als kritischer Geist begleitet. Ohne ihren Rat und ihre Tat hätte ich mich oft nicht mehr bei jedem erneuten Niedergeschlagen – Sein auf meinem Lebensweg vertrauensvoll und konstruktiv aufrichten können.